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“Abordnung” eines Polizisten innerhalb Berlins

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Die Frage, ob der für das Vor­lie­gen einer Ab­ord­nung not­wen­di­ge Wech­sel der Dienst­stel­le vor­liegt, ist auf Grund­la­ge des dienst­recht­li­chen Be­hör­den­be­griffs und nicht des per­so­nal­ver­tretungs­recht­li­chen Dienst­stel­len­be­griffs zu klä­ren. Nur dem Po­li­zei­prä­si­den­ten in Ber­lin, nicht aber sei­nen Un­ter­glie­de­run­gen kommt Be­hör­den­ei­gen­schaft zu.

Zur Klärung des Begriffs der Abordnung im Sinne von § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG ist auf das tradierte Verständnis des Dienstrechts abzustellen. Danach besteht das Wesen der Abordnung in der vorübergehenden Zuweisung einer Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle (Behörde) desselben oder eines anderen Dienstherrn, wobei die Zugehörigkeit zur bisherigen Stammdienststelle aufrechterhalten bleibt. Dieses Verständnis liegt ersichtlich auch der Vorschrift des § 27 Abs. 1 LBG Bln zugrunde, wonach Beamte aus dienstlichen Gründen „vorübergehend ganz oder teilweise zu einer dem übertragenen Amt entsprechenden Tätigkeit an eine andere Dienststelle desselben oder eines anderen Dienstherrn abgeordnet werden (können)“.

Die Frage, ob der für das Vorliegen einer Abordnung im Sinne von § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG notwendige Wechsel der Dienststelle vorliegt, ist konsequenterweise auf Grundlage des dienstrechtlichen Behördenbegriffs zu beantworten. Hiernach handelt es sich – im Einklang mit dem allgemeinen organisationsrechtlichen Verständnis – bei Behörden um mit gewisser Selbständigkeit ausgestattete organisatorische Einheiten von Personen und Sachen, die dazu berufen sind, staatliche Aufgaben wahrzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht ist bereits in seinem Beschluss vom 12. September 2002 der Annahme entgegen getreten, der Begriff der Abordnung im Sinne von § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG umfasse auch die vorübergehende Zuweisung von Beamten an solche Organisationseinheiten, die lediglich den personalvertretungsrechtlichen Dienststellenbegriff im Sinne von § 5 BlnPersVG, nicht aber den dienstrechtlichen Behördenbegriff erfüllen. Hieran wird auch im Lichte der von Seiten des Antragstellers und der im angefochtenen Beschluss angestellten Erwägungen festgehalten.

Verwendet der Gesetzgeber eines Personalvertretungsgesetzes Begriffe aus dem Dienstrecht – wie hier den Begriff der Abordnung, spricht eine Vermutung dafür, dass er ihn in seinem dienstrechtlichen Sinngehalt normieren will. Zwar ist der Gesetzgeber nicht gehindert, dienstrechtlichen Begriffen im Personalvertretungsgesetz eine abweichende Bedeutung beizumessen. Davon darf aber nur ausgegangen werden, wenn er hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass und in welcher Weise er vom dienstrechtlichen Begriffsinhalt abweichen wollte. Ein Abweichungswille muss mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden nachweisbar sein. Führt die Auslegung nicht zu einem eindeutigen Befund, kommt die vorgenannte Vermutung zum Tragen. Andernfalls könnte das Gesetz in seiner Funktion geschwächt werden, den zur Rechtsanwendung berufenen Stellen eine berechenbare Handlungsgrundlage zu vermitteln. Hieran kann – wie ohne weiteres unterstellt werden darf – dem Gesetzgeber nicht gelegen sein. Es liegt gerade auch in seinem Interesse, dass Gesetzesbegriffen nur aufgrund eindeutiger Anhaltspunkte im Wege der Auslegung ein Sinngehalt entnommen wird, der von der allgemein gebräuchlichen Begriffsdeutung abweicht.

Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts tritt ein entsprechender Abweichungswille, demzufolge dem dienstrechtlichen Begriff der Abordnung im Sinne von § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BlnPersVG ein personalvertretungsrechtlicher Dienststellenbegriff zugrundeläge, nicht aus § 5 BlnPersVG hervor. Diese Regelung ist erkennbar darauf ausgerichtet, die Bildung einer Personalvertretung auch bei solchen Einheiten zu ermöglichen, die hierfür bei Zugrundelegung des dienstrechtlichen Behördenbegriffs nicht in Frage kämen, und speziell zu diesem Zweck den personalvertretungsrechtlichen Dienststellenbegriff von letzterem zu entkoppeln. Besonders augenscheinlich wird dies bei den Regelungen in § 5 Abs. 2 BlnPersVG (Fingierung bestimmter Beschäftigtengruppen als Dienststellen) sowie bei der im Zusammenhang mit § 5 BlnPersVG stehenden Regelung des § 6 BlnPersVG (Zusammenlegung und Trennung von Dienststellen). Der Gesetzgeber knüpft hier an bestimmte Eigenheiten – personeller, räumlicher, aufgabenmäßiger oder organisatorischer Art – an, die aus seiner Sicht – zwingend oder fakultativ – für eine eigenständige kollektive Interessensrepräsentanz sprechen, mit der die für ein sachgerechtes Wirken der Personalvertretung erforderliche Nähe zwischen Personalrat und Beschäftigten gewährleistet werden soll. Auch bei den in der Anlage zum Gesetz aufgeführten Dienststellen im Sinne von § 5 Abs. 1 BlnPersVG kann die personalvertretungsrechtliche Verselbständigung überwiegend auf dieses Kalkül zurückgeführt werden. Namentlich bei den in Nr. 5 des Anhangs erfassten Untergliederungen des Polizeipräsidenten sprechen Gesichtspunkte der räumlichen Nähe, der organisatorischen Absonderung und teilweise auch die Eigenständigkeit der Aufgabenstellung für die Bildung jeweils eigener Personalräte.

Spezifisch personalvertretungsrechtliche Zweckmäßigkeitsüberlegungen der vorgenannten Art schlagen nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nicht auf die Abgrenzung der Versetzungen, Abordnungen und Umsetzungen betreffenden Mitbestimmungstatbestände durch. Sie können es nur dann tun, wenn ihnen als zusätzliches Motiv zugrunde läge, mithilfe der personalvertretungsrechtlichen Verselbständigung der fraglichen Einheiten zugleich die Reichweite der sachlichen Beteiligungspflichten zu erhöhen. Für eine entsprechende Weiterung des Regelungskalküls liegen aber in Bezug auf § 5 BlnPersVG keine greifbaren Anhaltspunkte vor. Der Vergleich mit der Vorschrift des § 4 BlnPersVG, die schon ausweislich ihrer Überschrift (“Begriffsbestimmungen”) Definitionen mit Maßgeblichkeit für sämtliche gesetzlichen Regelungszusammenhänge vornehmen will, offenbart sogar gegenteilige Anhaltspunkte.

Auch der vom Oberverwaltungsgericht angeführte § 86 Abs. 3 Satz 4 BlnPersVG belegt nicht mit hinreichender Deutlichkeit einen Abweichungswillen des Gesetzgebers im oben genannten Sinne. Zwar ist die Vorschrift vor dem Hintergrund des dienstrechtlichen Behördenbegriffs in der Tat weitgehend entbehrlich, da die Dienstkräfte der Schulen mit Ausnahme der Schulsekretäre und Hausmeister einer einzigen Dienstbehörde, nämlich der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung, angehören (§ 105 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz SchulG Bln) und mithin der Wechsel von einer zur anderen Schule von vorneherein regelmäßig keine Versetzung darstellen kann. Andererseits erschließt sich aber etwa der Regelung in § 86 Abs. 3 Satz 3 BlnPersVG und des Weiteren auch der vom Oberverwaltungsgericht insoweit nicht erwähnten Regelung in § 86 Abs. 3 Satz 2 BlnPersVG kein sinnvoller Anwendungsbereich, wenn man davon ausginge, der Gesetzgeber habe den Mitbestimmungstatbeständen in § 86 Abs. 3 BlnPersVG den personalvertretungsrechtlichen Dienststellenbegriff des § 5 BlnPersVG zugrunde gelegt. In Anbetracht dieses Gesamtbildes vermag § 86 Abs. 3 Satz 4 BlnPersVG die an die Verwendung einer dienstrechtlichen Begrifflichkeit durch den Gesetzgeber anknüpfende Vermutungswirkung nicht hinreichend zu entkräften.

Zu keiner abweichenden Beurteilung führt der Umstand, dass die Verfasser des Entwurfs, der zur Verabschiedung des Berliner Personalvertretungsgesetzes vom 22.07.1968 geführt hat, sich im Rahmen der Einzelbegründung zu § 68 Abs. 2 Satz 1 der Entwurfsfassung (= § 86 Abs. 3 Satz 2 heutiger Fassung) dagegen ausgesprochen haben, die Beteiligung des Personalrats bei Änderungen von Geschäftsverteilungen, mit denen die Dienstkraft den Zuständigkeitsbereich des Personalrats wechselt, vom „formalen Versetzungsbegriff“ im beamtenrechtlichen Sinne abhängig zu machen, und ferner der vorgeschlagenen – und schließlich auch ins Gesetz eingeflossenen – „Erweiterung“ des Versetzungsbegriffs an der betreffenden Stelle Maßgeblichkeit für „alle Fälle …, in denen das Personalvertretungsgesetz von Versetzung spricht“ beigemessen haben. Unabhängig davon, dass die betreffende Passage der Entwurfsbegründung nicht das Institut der Abordnung betraf (die in Berlin erst mit der Novelle vom 2. August 1974 mitbestimmungspflichtig wurde), sind die Entwurfsverfasser offenbar selbst von der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des dienstrechtlichen Begriffsverständnisses ausgegangen. Damit logisch im Einklang stehend haben sie die Eröffnung der Mitbestimmung in dem von § 68 Abs. 2 Satz 1 BlnPersVG a.F. erfassten Spezialfall der Geschäftsverteilungsänderung als „Erweiterung“ bezeichnet. Die Auffassung der Entwurfsverfasser, diese „Erweiterung“ solle auch in weiteren Regelungszusammenhängen gelten, in denen es um Versetzungen gehe, hat indes im Gesetz keinen Niederschlag gefunden. Dabei wäre es regelungstechnisch ohne weiteres möglich gewesen, eine entsprechende Bestimmung einzufügen (beispielsweise: „Für Versetzungen gilt der in § 5 geregelte Dienststellenbegriff“). Vor dem Hintergrund der von den Entwurfsverfassern angenommenen grundsätzlichen Maßgeblichkeit des beamtenrechtlichen Versetzungsbegriffs und in Anbetracht dessen, dass für die Konstellation der Geschäftsverteilungsänderung eigens eine „Erweiterung“ vorgeschlagen wurde, hätte der Erlass einer solchen Bestimmung für den Gesetzgeber auch nahegelegen, falls er der Überlegung der Entwurfsverfasser hätte folgen wollen, vom beamtenrechtlichen Versetzungsbegriff in sämtlichen gesetzlichen Verwendungszusammenhängen Abstand zu nehmen. Da dies nicht erfolgt ist, kann nicht mit der gebotenen Verlässlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber sich die besagte Vorstellung der Entwurfsverfasser zu Eigen gemacht hat.

Nichts anderes folgt schließlich aus der vom Antragsteller angesprochenen Vorschrift in § 99c Abs. 2 Satz 2 BlnPersVG, wonach bei der Versetzung von Überhangkräften zum sogenannten Stellenpool der Personalrat der bisherigen Dienststelle mitwirkt. Da die Versetzung im Sinne von § 99c Abs. 2 Satz 2 BlnPersVG nicht den Tatbestand des § 86 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BlnPersVG erfüllt, ist mit dieser Vorschrift ein bisher nicht gegebenes Beteiligungsrecht erstmals begründet worden. Die Vorschrift ist somit eher als Indiz dafür zu werten, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der in § 86 Abs. 3 BlnPersVG verwendeten Begriffe von der Maßgeblichkeit des herkömmlichen dienstrechtlichen Begriffsverständnisses ausgegangen ist.

Somit hängt die Mitbestimmungspflichtigkeit der vorübergehenden Zuweisung von Beamten aus Direktionen an andere Untergliederungen des Polizeipräsidenten in Berlin wie dessen ZSE davon ab, ob diese Untergliederungen den dienstrechtlichen Behördenbegriff erfüllen. Hierbei ist auf die Aussagen in den einschlägigen organisationsrechtlichen Bestimmungen abzustellen. Daraus ergibt sich im vorliegenden Fall, dass nur der Polizeipräsident in Berlin und nicht seinen Untergliederungen Behördeneigenschaft zukommt.

Gemäß § 5 Abs. 1 ASOG Bln ist nur der Polizeipräsident in Berlin „Polizei im Sinne dieses Gesetzes“. Die Dienstkräfte der Polizei – mithin des Polizeipräsidenten – sind befugt, Amtshandlungen im gesamten Land Berlin vorzunehmen (§ 6 ASOG Bln). Anders als in anderen Polizeigesetzen (siehe etwa § 91 Abs. 2 Nr. 2 SOG HE, § 87 Abs. 1 Nds. SOG), darunter auch aus Stadtstaaten (siehe § 70 Abs. 1 Nr. 2 BremPolG), wird im Berliner ASOG Untergliederungen der Polizei keine Behördeneigenschaft zugesprochen. Auch im Zuständigkeitsrecht des Landes Berlin ist als Polizeidienststelle nur der Polizeipräsident erwähnt (Nr. 23 des Zuständigkeitskatalogs Ordnungsaufgaben, Anlage zu § 2 Abs. 4 Satz 1 ASOG Bln).

Weder im ASOG Bln noch im Zuständigkeitsrecht des Landes Berlin werden die Direktionen des Polizeipräsidenten oder dessen ZSE überhaupt erwähnt. Soweit ersichtlich, werden im sonstigen Landesrecht die Direktionen außer im Anhang zu § 5 PersVG Bln nur noch an zwei Stellen angesprochen: Zum einen in § 8 Abs. 2 Satz 4 der Arbeitszeitverordnung, wonach der Dienst in Direktionshundertschaften im Durchschnitt 41 Stunden in der Woche beträgt; zum anderen in der Anlage I des Landesbesoldungsgesetzes, wonach der Leiter einer Direktion nach der Besoldungsgruppe B 2 vergütet wird und – bezeichnenderweise – die Amtsbezeichnung „Direktor beim Polizeipräsidenten“ trägt. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch, dass § 1 Abs. 2 der PolizeiaufgabenWahrnehmungsverordnung von Überhangskräften spricht, „die zur Geschwindigkeitsüberwachung zum Polizeipräsidenten in Berlin abgeordnet sind“. Käme den Untergliederungen des Polizeipräsidenten Behördeneigenschaft zu, hätte es für den Verordnungsgeber nahe gelegen, sie in dieser Bestimmung zu berücksichtigen.

Erweist sich somit bereits anhand der einschlägigen Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen, dass den Untergliederungen des Polizeipräsidenten in Berlin keine Behördeneigenschaft zukommt, so untermauert der von der Senatsverwaltung für Inneres und Sport verfügte Erlass über die Gliederung der Berliner Polizei vom 1. Oktober 2009 dieses Ergebnis. In ihm heißt es, „die Berliner Polizeibehörde“ trage den Namen „Der Polizeipräsident in Berlin“ und sei „eine der Senatsverwaltung für Inneres und Sport nachgeordnete Sonderbehörde“ (Ziff. I.1.). Gemäß Ziff. I.2. des Erlasses gliedert sich „die Polizeibehörde“ in die Behördenleitung, die örtlichen Direktionen, die Direktion Zentrale Aufgaben, das Landeskriminalamt und die Zentrale Serviceeinheit, die in Ziff. II.3 als „Organisationseinheiten“ – und nicht als Behörden – bezeichnet werden.

Keinen gegenteiligen Schluss gebietet die Vorschrift in § 2 Abs. 2 des Verwaltungsreform-Grundsätze-Gesetzes (VGG), welche die Zuordnung personeller und sächlicher Mittel an „Leistungs- und Verantwortungszentren“ mit dem Ziel einer dezentralen Fach- und Ressourcenverantwortung vorgibt. Als „Leistungs- und Verantwortungszentren“ sind ausweislich von § 2 Abs. 2 Satz 1 VGG „Abteilungen und Ämter“ zu organisieren, bei denen es sich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VGG um Untergliederungen von „Behörden“ handelt. Zu einer erweiterten Zuerkennung der Behördeneigenschaft führt das betreffende Gesetz somit eindeutig nicht.

Angesichts dieses klaren Befundes erübrigt sich die Auseinandersetzung mit den Hinweisen des Antragstellers auf den Umfang der den einzelnen Direktionsleitern übertragenen Personal- und Sachverantwortung, denen der Beteiligte zudem entgegengetreten ist. Ob alleine die Einräumung eines gewissen Maßes an Entscheidungs- und Ressourcenautonomie an untergeordnete Stellen unter bestimmten Umständen zur behördlichen Verselbständigung dieser Stellen führen kann oder ob es hierfür stets einer entsprechenden gesetzlichen Regelung bedarf, mag dahinstehen. Jedenfalls besteht hierfür dann kein Raum, wenn – wie im Falle Berlins – der Gesetzgeber klar zu erkennen gegeben hat, dass der in Rede stehende administrative Wirkungsbereich dem Rechtssinne nach nur in einer einzigen Behörde zusammengefasst sein soll.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. März 2012 – 6 P 6.11


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