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Beleidigung durch die Bezeichnung eines Polizisten als Homosexueller

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Die Bezeichnung eines Polizeibeamten als “Homosexueller” stellt keine Beleidigung dar, denn es handelt sich nicht um eine Verletzung der Ehre der Polizeibeamten..

Personales Rechtsgut der §§ 185 ff. StGB ist die Ehre als verdienter Achtungsanspruch jedes Individuums. Nach dem normativ-faktischen Ehrbegriff geht es um den auf die Personenwürde gegründeten, jedem Menschen von Verfassungs wegen zustehenden Geltungswert und den daraus folgenden Anspruch, nicht unverdient herabgesetzt zu werden. Dieser Ehrenstatus reflektiert auf den Aspekt personaler Würde als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG) und auf die Geltung der Person in der Gesellschaft. Demzufolge impliziert eine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne die Kundgabe der Missachtung bzw. Nichtachtung und somit eine Aussage mit wertminderndem Gehalt. Hierbei ist der Äußerungsinhalt unter Berücksichtigung der Begleitumstände zu ermitteln. Der Ehrbegriff ist “normativ”, weil es dabei nicht primär auf einen bloßen Beleidigungswillen des Äußernden oder auf die subjektiv empfundene Kränkung des Erklärungsempfängers ankommt. Vielmehr muss die Bedeutung der Äußerung objektiv unter Beachtung der Wertungen der Rechtsordnung gewürdigt werden. Keine Beleidigung stellen daher wertneutrale Äußerungen dar, die von der erklärenden Person nach ihrer eigenen Wertung als “beleidigend” gemeint sind.

In diesem Sinne kommt der Bezeichnung anderer Personen als “homosexuell” keine wertmindernde Bedeutung – mehr – zu. Diese Bewertung folgt aus Art. 3 GG und der einfachgesetzlichen Konkretisierung des Gleichheitsgrundsatzes durch § 1 des Antidiskriminierungsgesetzes. Demzufolge sind “Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, eine Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen”. Niemand darf also wegen seiner sexuellen Identität diskriminiert werden.

Schon rein empirisch ist zweifelhaft, ob die Bezeichnung als “homosexuell” eine Herabwürdigung enthält. Das mag in der Vergangenheit anders gewesen sein. Der gesellschaftliche Wandel in der Einstellung zur Homosexualität äußert sich etwa darin, dass sich führende Politiker oder Prominente als Homosexuelle offenbaren. Auch innerhalb der Polizei gibt es ein “Netzwerk für Lesben und Schwule“, das sich für mehr Toleranz einsetzt.

Entscheidend ist aber, dass sich das Strafrecht in einen Widerspruch zu dem verfassungsrechtlich begründeten Antidiskriminierungsansatz begeben würde, wenn die Bezeichnung als “homosexuell” als ehrmindernd und herabsetzend bewertet würde. Darin käme gerade die Diskriminierung zum Ausdruck, die von Rechts wegen nicht mehr sein soll. Insoweit verhält es sich nicht anders wie mit sonstigen Bezeichnungen einer sexuellen Präferenz wie “bisexuell” oder “heterosexuell” oder mit Bezeichnungen einer religiösen Zugehörigkeit wie Katholik oder Jude – und zwar völlig unabhängig davon, ob der Erklärungsempfänger der betreffenden Personengruppe angehört. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass hier uniformierte Polizeibeamte als “homosexuell” tituliert wurden. Ein Sonderrecht für Polizeibeamte in Uniform – schärfer: eine Ausnahme vom verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbot – ist nicht anzuerkennen.

Anders beurteilen sich Äußerungen, die sich nicht auf die Bezeichnung “homosexuell” beschränken, sondern zusätzlich eine Herabwürdigung ausdrücken wie z.B. “dreckige Schwanzlutscher” oder “Schwuchteln”. Solche Äußerungen werden völlig zu Recht als Beleidigungen gewertet.

Landgericht Tübingen, Urteil vom 18. Juli 2012 – 24 Ns 13 Js 10523/11


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