Auch bei Verstößen gegen Vorschriften zum Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs (insbesondere §§ 201 bis 206 StGB) ist bei der disziplinarrechtlichen Maßnahmebemessung der gesamte abgestufte Katalog von Disziplinarmaßnahmen gemäß §§ 5 ff. BDG in den Blick zu nehmen. Die Höchstmaßnahme kommt als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen nur bei schwerwiegenden Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs in Betracht, etwa wegen der Sensibilität der Erkenntnisse oder Daten (z.B. solchen des höchstpersönlichen Bereichs) oder wegen der Art des Zugriffs (z.B. bei Überwindung besonderer Sicherheitsvorkehrungen). Dies ist bei der unbefugten Weitergabe von Kfz-Halterdaten aus einem (polizei-)behördlichen Datensystem grundsätzlich nicht der Fall.
Mit der unbefugten Weitergabe von Kfz-Halterdaten aus den (polizei-)behördlichen Daten-Systemen hat der Beamte seine Pflicht gemäß § 54 Satz 3 BBG a.F. (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG n.F.) verletzt, innerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (sog. allgemeine Wohlverhaltenspflicht). Darüber hinaus hat er mit seinem Verhalten zugleich gegen seine Pflicht gemäß § 55 Satz 2 BBG a.F. (§ 62 Abs. 1 Satz 2 BBG n.F.) verstoßen, die Anordnungen und Richtlinien seiner Vorgesetzten zu befolgen.
Der Beamte hat vorsätzlich und schuldhaft gehandelt, weil ihm die Pflichtwidrigkeit seines Tuns bewusst war.
Dass der Beamte bei der Weitergabe der Kfz-Halterdaten an den Rückholunternehmer P. allein “zum Wohle” der Kfz-Halter gehandelt habe, denen er auf einfache und schnelle Weise zu ihrem Eigentum habe verhelfen wollen, hält das Bundesverwaltungsgericht nicht für glaubhaft. Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe, die der Beamte aus seinem angeblich altruistisch motivierten Tun ableitet, stehen ihm daher nicht zur Seite. Auch der Einwand, dass die von ihm praktizierte “Zusammenarbeit” mit dem Rückfuhrunternehmer P. früher gängige Praxis gewesen sein mag, vermag angesichts der eindeutigen Weisungslage das Verhalten des Beamten weder zur rechtfertigen noch zu entschuldigen. Die hiernach gegebenen Dienstpflichtverletzungen des Beamten stellen ein einheitliches, in seinem Schwerpunkt innerdienstliches Dienstvergehen dar (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG a.F.).
Gemäß § 13 Abs. 1 BDG ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit den ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies ist dem auch im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) geschuldet.
Hiernach ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Für die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts generelle Maßstäbe für einzelne Fallgruppen entwickelt.
In Ergänzung dazu hat das Bundesverwaltungsgericht – ebenfalls auf spezielle Deliktstypen bezogene, teilweise aber auch allgemeingültige – gewichtige “Milderungsgründe” entwickelt und “anerkannt”. Ihr Vorliegen führt regelmäßig zu einer Disziplinarmaßnahme, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme, bei einer Zurückstufung also eine Amtsstufe weniger. Diese anerkannten Milderungsgründe stellen allerdings keinen abschließenden Kanon der berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Auch wenn ein Umstand nicht die Voraussetzungen eines anerkannten Milderungsgrundes erfüllt, bedeutet dies nicht, dass er als entlastender Umstand unbeachtlich und deshalb bei der Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ohne Gewicht und nicht berücksichtigungsfähig wäre.
Zu Verstößen gegen Vorschriften zum Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs (insbesondere im fünfzehnten Abschnitt des Strafgesetzbuchs, §§ 201 bis 206 StGB) ist eine generelle deliktsgruppenbezogene Bestimmung der als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen regelmäßig erforderlichen Disziplinarmaßnahme (Regeleinstufung) aufgrund der Variationsbreite der in Frage kommenden Verstöße nicht möglich. Deshalb ist bei der Ahndung von Dienstpflichtverletzungen in diesem Bereich der gesamte abgestufte und ausdifferenzierte Katalog möglicher Disziplinarmaßnahmen gemäß § 5 BDG mit den Einzelregelungen der §§ 6 ff. BDG in den Blick zu nehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch bei Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs sowohl die Schwere des strafrechtlichen Unrechtsgehalts als auch die des Dienstvergehens deutlich variieren kann, je nach der Sensibilität des in Rede stehenden Geheimnisses, etwa ob besonders schutzbedürftige Erkenntnisse und Daten, z.B. aus dem höchstpersönlichen Bereich, offenbart werden oder solche, die einen eher entfernteren Bezug zum persönlichen Lebens- und Geheimbereich einer Person haben. Auch sind die denkbaren Verletzungshandlungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs von stark unterschiedlichem Gewicht, je nach der Art des Zugriffs, z.B. wenn besondere Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz des Geheimnisses überwunden werden müssen. Dies zeigt sich u.a. daran, dass der Gesetzgeber solche Rechtsverstöße nur teilweise als Straftatbestände, im Übrigen aber nur als Ordnungswidrigkeiten geahndet wissen will. Auch innerhalb der Gruppe der Straftaten schwankt der angedrohte Strafrahmen deutlich. Der unterschiedlich hohe Unrechtsgehalt des Dienstvergehens hat hiernach maßgeblichen Einfluss auch auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme: Während jedenfalls für den oben angeführten höchstpersönlichen Bereich grundsätzlich die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme in Betracht kommt, wird bei anderen Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs – je nach der Schwere der Tat – eher eine pflichtenmahnende, für den Beamten weniger einschneidende Disziplinarmaßnahme angemessen sein.
Der Streitfall nötigt zu keinen weitergehenden (und angesichts der Vielfalt der Lebenssachverhalte ohnehin kaum zu leistenden) generellen Festlegungen für alle denkbaren Fallkonstellationen möglicher Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs einer Person. Maßgebend für die Festlegung des Ausgangspunkts der Bemessung der Disziplinarmaßnahme im Streitfall ist die Erkenntnis, dass die hier in Rede stehende unbefugte Weitergabe von Kfz-Halterdaten aus den (polizei-)behördlichen Datensystemen jedenfalls keine Verletzung des erwähnten höchstpersönlichen Lebensbereichs darstellt, die eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen könnte. Vielmehr kommt je nach den Umständen des Einzelfalls eine Zurückstufung (Versetzung in ein Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt, § 9 BDG) – ggf. um mehrere Stufen bis ins Eingangsamt – oder (in minderschweren Fällen) eine Gehaltskürzung (§ 8 BDG) als Regeleinstufung in Betracht.
Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG die Schwere der dargestellten Verstöße gegen die Pflichten aus § 54 Satz 3 und § 55 Satz 2 BBG a.F. in Gestalt der unbefugten Weitergabe der Kfz-Halterdaten aus den (polizei-)behördlichen Dateisystemen, für die eine Zurückstufung des Beamten gemäß § 9 Abs. 1 BDG in ein um mehrere Stufen niedrigeres Amt mit geringerem Endgrundgehalt nach den hier vorliegenden Umständen des Einzelfalls (insbesondere Anzahl und Häufigkeit der einzelnen Tathandlungen) angezeigt ist.
Hiervon ausgehend liegen unter dem Gesichtspunkt der Schwere der Tat (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BDG) mehrere belastende Umstände vor, die für die Erforderlichkeit einer spürbaren Disziplinarmaßnahme sprechen: Der Beamte hat in den Anschuldigungspunkten 1 und 2 über einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten, während derer er – nach Aufkommens eines Anfangsverdachts – verdeckt observiert wurde (von Ende 1998 bis Juni 1999), wiederholt und trotz ausdrücklicher Belehrung seine Dienstpflichten verletzt. Auch die Anzahl der einzelnen Pflichtenverstöße (Tathandlungen) ist beträchtlich.
Erschwerend kommt weiter hinzu, dass der Beamte im Kernbereich seines Amtes versagt hat. Aufgabe eines Polizeihauptkommissars der Bundespolizei im Einsatz an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zum Ausland ist u.a. die Unterbindung und Verhinderung von Straftaten mit grenzrelevantem Bezug. Die vorschriftswidrige Weitergabe von geschützten Daten über im Ausland sichergestellte Kraftfahrzeuge ausbehördlichen EDV-Systemen an einen nicht abfrage- und empfangsberechtigen Dritten berührt einen Kernbereich polizeilicher Tätigkeit. Zusätzlich belastend sind die Maßnahmen zur Verdeckung und Verschleierung der pflichtwidrigen Halterabfragen, die der Beamte als dienstlich veranlasst vorgab. Als zusätzlich belastende Umstände der Tatbegehung sind zu berücksichtigen, dass der Beamte seine Stellung als Vorgesetzter ausgenutzt und ihm untergebene Bedienstete für seine dienstpflichtwidrigen Taten eingeschaltet und damit ebenfalls zu einem pflichtwidrigem Handeln bzw. Unterlassen verleitet hat. Damit hat der Beamte als Vorgesetzter und Vorbild versagt.
Bei der gebotenen objektiven Gewichtung des Dienstvergehens ist eine beträchtliche Vertrauensbeeinträchtigung (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG) eingetreten. Der Dienstherr kann nicht im Einzelnen überwachen, ob sich der Beamte im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit stets gesetzes- und dienstvorschriftenkonform verhält. Tut dies ein Beamter über einen längeren Zeitraum und in einer Vielzahl von Fällen nicht, ist regelmäßig anzunehmen, dass das Vertrauensverhältnis erheblich gestört ist, weil der Dienstherr befürchten muss, dass der Beamte sich auch künftig nicht gesetzes- und vorschriftsgemäß verhalten wird. Andererseits erachtet das Bundesverwaltungsgericht – auch mit Blick auf die Schwere des Dienstvergehens – die eingetretene Vertrauensbeeinträchtigung nicht von solchem Gewicht, dass sie bereits die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erfordert.
Ist nach den bislang behandelten Kriterien der Maßnahmebemessung mithin nicht die Höchstmaßnahme (Entfernung aus dem Dienst), sondern lediglich eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme in Gestalt einer Zurückstufung in ein um mehrere Stufen niedrigeres Amt mit geringerem Endgrundgehalt angemessen, so ist zusätzlich dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Disziplinarverfahren (insoweit ist das behördliche und gerichtliche Verfahren insgesamt zu betrachten) mit insgesamt mehr als 14 Jahren unangemessen lange gedauert hat i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EMRK. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Maßnahmebemessung dann (nochmals) mildernd zugunsten des Beamten zu berücksichtigen. Die im Streitfall eingetretene unangemessene Verfahrensdauer beruhte nicht – jedenfalls nicht wesentlich – auf einem verfahrensverzögernden Verhalten des Beamten, sondern auf der Behandlung des Verfahrens durch die Ermittlungsbehörden und die Gerichte. Es liegt auf der Hand, dass die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile bei einer dermaßen langen Verfahrensdauer zu einer erheblichen Belastung des über seine berufliche und wirtschaftliche Existenz im Ungewissen lebenden Beamten geführt und auf ihn eingewirkt hat. Eine bloße Verkürzung des Beförderungsverbots (§ 9 Abs. 3 BDG) genügt nicht, um diese Belastung auszugleichen; sie ist vielmehr beim Umfang der Zurückstufung zu berücksichtigen, die daher um eine Stufe weniger ausfällt als eigentlich verwirkt.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29. Oktober 2013 – 1 D 1.12